Interview zum Thema Mauern
Professor Dipl.-Ing. Uwe Simon ist Architekt und Mitglied im Kirchenvorstand. Sein Themenschwerpunkt sind alle Fragen rund ums Bauen – von der Sanierung bis zur Gebäudebewertung.
Lieber Uwe, die meisten Gottesdienstbesucher denken bei Luthergemeinde und Mauer sicherlich vor allem an die Mauer, die den Kirchhof umgibt. Kannst Du nochmal zusammenfassen, was es mit dieser doch sehr langwierigen Baustelle auf sich hat?

Wild gewachsene Bäume haben die Mauer bedrängt, sie hat sich dadurch zur Seite geneigt. Darunter hat die Statik der Mauer gelitten und sie war einsturzgefährdet. Deshalb musste der Weg gesperrt werden. Bevor die Arbeiten zur Wiederherstellung der denkmalgeschützten Mauer beginnen konnten, mussten Denkmalschutz, Statiker und Experten der Kirchenverwaltung einbezogen werden. Die Sanierung musste anschließend ausgeschrieben werden und es musste eine Baufirma ausgewählt und beauftragt werden. Das dauert, – so lange konnte nur abgesperrt und nicht gearbeitet werden.
Wie wurde die Mauer jetzt wieder aufgebaut?
Auf der Kirchhofseite ist das Gelände höher. Dadurch entsteht seitlicher Erddruck auf das Mauerwerk, den das Mauerwerk allein nicht auffangen kann. Deshalb musste der untere Bereich aus Stahlbeton gefertigt werden.
Bleibt das alles jetzt so?
Die Mauer war bisher verputzt und wird auch wieder verputzt werden, um ein einheitliches Bild herzustellen. Das gesamte Mauerwerk freizulegen, würde nicht gehen, weil die Mauer schon oft ausgebessert wurde und sich dadurch kein einheitlich schönes Bild ergeben würde.
Wegen des Drucks auf die Mauer aber auch, weil sie krank waren, mussten vor der Sanierung einige Bäume gefällt werden. Der Kirchhof macht nun einen ganz anderen Eindruck. Das wird sich aber ändern, denn es werden Ersatzpflanzungen durchgeführt werden.
Warum hat man die Mauer denn überhaupt wieder aufgebaut? Das sah doch auch ohne gut aus.
Das kam vom Denkmalschutz, weil das die alte Mauer um die Kirche ist. Deshalb hat das Gesamtbild einen historischen Wert – als Erinnerung an die alte Situation noch mit Friedhof um die Kirche.
Die Mauer um den Kirchhof ist aber nicht die einzige, mit der Du Dich beschäftigst. Denn im Rahmen des Prozesses ekhn2030 bist Du Mitglied der Arbeitsgruppe Bau in unserem Nachbarschaftsraum. Dort geht es unter anderem darum, wie die Vorgaben zur Reduzierung der Gebäude umgesetzt werden können. Wie schaut ihr auf die Kirchen, Gemeindehäuser und Pfarrhäuser?
Mauern und damit auch Gebäude können Schutz bieten, abgrenzen und Identifikation liefern. Sie sind Bedeutungsträger und können ganz unterschiedliche Empfindungen auslösen. Manche haben Aufforderungscharakter wie das Portal einer großen Kathedrale, das uns einlädt, einzutreten. Manche Gebäude lösen starke Empfindungen aus durch Erinnerungen. Bei Kirchen ist das ganz besonders stark durch Trauungen, Beerdigungen und andere Feierlichkeiten, die den Weg des Lebens prägen. Und diese Tradition läuft seit Jahrhunderten. Dadurch entsteht eine besondere Verbundenheit zu den Mauern der Kirche, zu den Gebäuden. Diese emotionale Verbindung gibt es auch zu anderen Gebäuden wie zum Pfarrbüro, das seit Generationen als Anlaufstelle dient. Und die Gemeindehäuser, die über Veranstaltungen vieler Gruppen ein Identifikationspunkt mit großer emotionaler Bedeutung sind.
Wie lässt sich das auflösen? Die Reduzierung auf der einen Seite und die emotionale Verbundenheit auf der anderen?
Wir sind uns alle einig, dass eine Reduktion der Flächen zwingend ist, weil die Zahl der Gemeindemitglieder zurückgeht und damit auch die finanziellen Mittel. Die Aufgabe liegt jetzt also darin, zwischen den verschiedenen Argumenten abzuwägen. Die Nutzbarkeit der Flächen, die Kosten im Unterhalt oder der Ertüchtigung, um auf dem neuesten Stand zu sein. Die Erreichbarkeit des Standorts. All das muss bedacht werden.
Ich sehe das nicht nur negativ. Es ist wichtig, dass wir uns klar machen, dass es auch eine große Chance sein kann. Die neue enge Zusammenarbeit mit vier weiteren Gemeinden ist auch ein Zugewinn an Erfahrungen, Ideen und Möglichkeiten. Wir müssen uns geschickt bei der Auswahl der zu behaltenden Gebäude verhalten, damit wir auch die Potenziale, die in den Aktivitäten der jeweiligen Gemeinde liegen, nutzen können. Es ist wichtig, dass wir gedanklich davon wegkommen, das negativ zu sehen. Die größten Chancen liegen aber natürlich bei den Menschen. Wir überspringen jetzt die gewohnten Grenzen unserer Einzelgemeinde und müssen die Gelegenheit ergreifen, uns zu öffnen zu den anderen Gemeinden hin und auch deren Potenziale und Interessen mit einbeziehen.
Hast Du eine „Lieblingsmauer“?
Wir reisen gerne und haben uns in den letzten Jahren verschiedene Etappen der alten Seidenstraße angeschaut. Die alte Stadtmauer der Oasenstadt Chiwa ist sehr beeindruckend. Die Mauer, durch die früher die Karawanen eingezogen sind, ist wellenförmig – Struktur und Form sind also etwas ganz Besonderes.
Das Interview führte Dr. Claudia Klemm